Wiesbadener Entwurf
von Dr. J. Borchert
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Versuch eines Extrakts (11 Seiten) durch
R.Woldag, Kiel
Einleitung
Kinder sind die wichtigste Zukunftsressource
eines Landes. Ihre Begabung, Ausbildung, Leistungsfähigkeit und Zahl sind
von entscheidender Bedeutung. Das gilt erst recht für das rohstoffarme
Deutschland. Familien- und Bevölkerungspolitik müssten in der Hierarchie der
Politiken deshalb einen Spitzenplatz einnehmen. Das Gegenteil ist jedoch der
Fall. Obwohl sich die Geburtenzahlen seit den Wirtschaftswunderjahren fast
halbierten und der Anteil der Sozialausgaben verdoppelte, hat sich die
materielle Situation vieler Familien nicht etwa verbessert, sondern erheblich
verschlechtert. Schon eine vierköpfige Familie mit Durchschnittsgehalt lebte im
Jahr 2000 am Existenzminimum. Seit 1965 hat sich der Anteil der Kinder im
Sozialhilfebezug auf nahezu das 16-fache erhöht. Besonders prekär ist die
Einkommenslage bei Alleinerziehenden. Weiterhin zeigen uns die OECD-Statistiken,
dass Deutschland bei den Bildungsanstrengungen unter den entwickelten Ländern
weit abgeschlagen ganz hinten liegt!
Soziales Chaos vorprogrammiert
Durch die Familienarmut und die fehlenden
Bildungsanstrengungen wird das Humanvermögen, dem für die wirtschaftliche, die
soziale, die kulturelle und die wissenschaftliche Qualität der Gesellschaft
grundlegende Bedeutung zukommt, nachhaltig beschädigt. Parallel dazu altert die
Bevölkerung Deutschlands trotz hoher Zuwanderungszahlen. In Kürze wird sie,
sich beschleunigend, schrumpfen. Der Verlust an Innovationsfähigkeit und der
als Produktivkraft eigener Art angesehenen Risikobereitschaft wird immens. Während die sozialen Belastungen durch die Alterung und die
notwendigen Integrationsanstrengungen wachsen, verliert die Wirtschaft an
Dynamik. Die rapide Verschärfung gesellschaftlicher Verteilungskonflikte ist
damit vorprogrammiert. Die wesentliche Ursache ist in dem falsch konzipierten
Sozialstaat zu suchen, der zugleich die Lasten der Kindererziehung weitgehend privatisiert,
obwohl der Nutzen, nämlich das von den Kindern später erwirtschaftete
Sozialprodukt, über die „Generationenverträge“ der Renten-, Kranken- und
Pflegeversicherung sozialisiert ist. Statt den von der Verfassung
verlangten sozialen Ausgleich herbeizuführen, verstärken die Sozialsysteme auf
diese Weise sogar noch die Ungleichheiten zwischen Familien und Nichtfamilien,
Jung und Alt und Arm und Reich. Statt den Ausfall an Humanvermögen bei Personen
ohne Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern durch die Einschränkung von
Konsum, Luxus und Freizeit und entsprechende Investitionen in Bildung,
Kinderbetreuung und Infrastruktur wettzumachen, passiert durch diese
Fehlverteilungen genau das Gegenteil. Das schmälert das reale
Wachstumspotential und damit die Finanzierungsbasis des Sozialstaats noch mehr.
Ursachen der Deklassierung der Familien
Notwendigkeit familienpolitischer Strukturreform des Sozialstaats
Die einfachste und wirksamste Strategie zur Behebung der
„strukturellen Rücksichtslosigkeiten“ des gesellschaftlichen und staatlichen
Systems besteht in der konsequenten Anwendung der grundgesetzlich normierten
Verteilungsregeln, an welche das Bundesverfassungsgericht seit 1990 bereits
mehrfach nachdrücklich erinnert hat. Familien müssen in
den Stand versetzt werden, ihre Kinder aus dem selbst erwirtschafteten
Einkommen zu unterhalten, statt in die Rolle von Almosenempfängern gedrängt zu
werden. Es ist ersichtlich sinnlos, in Spendierhosenpose ein immer
größeres Umverteilungsrad zu drehen, wenn der Zug, wie die letzten Jahrzehnte
zeigten, in die vollkommen falsche Richtung fährt. Die verfassungsrechtlich
gebotene Familienförderung setzt vielmehr zunächst die Beseitigung der
verfassungsrechtlich verbotenen Benachteiligungen der Familie voraus. Deshalb
besteht die vorrangige Aufgabe darin, das parafiskalische System der
Sozialversicherungsbeiträge ebenso grundsätzlich neu zu justieren wie das
fiskalische der Einkommens- und Verbrauchssteuern. Genauso lässt sich überhaupt
erst dann sinnvoll über Finanzierungsfragen und -techniken reden, wenn die
Verteilungsziele definiert sind.
Maßnahmen zum Ausgleich von Nachteilen
Im Steuersystem sind vorrangig die immer schärferen
Asymmetrien zu Lasten der Familien zu beseitigen, welche durch die wachsenden
indirekten Steuerlasten entstehen. Hier dürfte nur eine Erstattung der auf dem
durchschnittlichen Kindesunterhalt lastenden indirekten Steuern in Form von
Kindergeld als Lösung in Frage kommen.
Auf der Leistungsseite der Altersversorgungssysteme ist dem konstitutiven Charakter
der Kindererziehung schließlich durch Herstellung einer intragenerationellen
Balance der Rentenleistungen zwischen Kinderlosen und Eltern Rechnung zu
tragen. Die in nennenswertem Umfang nur für Geburten ab 1992 geltenden
„Babyjahre“, die erst in fernerer Zukunft rentenwirksam werden und überdies als
Mehraufwand intergenerationell von den Kindern der bedachten Eltern selbst zu
finanzieren sind, leisten dies nicht.
Notwendig erscheinen in der Familienförderung nicht nur andere materielle
Weichenstellungen, sondern ebenso grundlegende Veränderungen im formellen
staatlichen und gesellschaftlichen System. So verdient der Vorschlag eines Familienwahlrechts, welches Eltern bis zur Volljährigkeit
stellvertretend für ihre Kinder ausüben, sicher eine gründliche
Auseinandersetzung. Diese Forderung könnte zumindest einen gesellschaftlichen
Dialog zur Frage der schwindenden Repräsentanz von Familien im demokratischen
System fördern. In die Gesetzgebungsverfahren sollte endlich generell eine
Familienverträglichkeitsprüfung eingebaut werden. Zu diskutieren wäre auch ein
neuer ministerialer Zuschnitt etwa im Sinne eines „Ministeriums für Familie und
Ökologie“. Statt der sog. „Frauenquote“ dürfte endlich eine „Elternquote“ zur Erreichung von Vereinbarkeit und
partnerschaftlicher Erziehung deutlich zielführender sein.
Neue Rangordnung sozialer Ansprüche und Pflichten notwendig
Diese Reformaufgaben sind ihrer Natur nach reine
Verteilungsfragen. Finanzierungseinwände greifen deshalb grundsätzlich nicht.
Es geht um die Rangfolge der gesellschaftlichen Prioritäten, welche sich
prinzipiell fiskalneutral festlegen lässt. Was ist wichtig, wichtiger, am
wichtigsten? Zum Beispiel: Kindertagesstätten oder die 13. Pension? Wie viele
bestausgestattete Kindergärten lassen sich finanzieren, wenn wir den
Ruheständlern das Weihnachtsgeld streichen würden, welches Rentnern der GKV
ohnehin versagt bleibt?11 Allerdings ist nicht zu übersehen, dass die falschen
und grundgesetzwidrigen Weichenstellungen von 50 Jahren bundesdeutscher
Verteilungspolitik sich zu strukturellen Bestandteilen des gesellschaftlichen
Systems selbst verfestigt haben. Die eingetretene
Schlagseite in der gesellschaftlichen Verteilung zu Lasten der Familien und der
Jüngeren wird nämlich von den privilegierten Mehrheiten der Senioren und der
sonstigen Personen ohne Unterhaltsverpflichtungen längst als Besitzstand
wahrgenommen und verteidigt. Die Mehrkinderfamilie hingegen, die von der
Fehlverteilung am meisten betroffen ist, hat in diesem Verteilungskampf keine
Lobby. Zudem verleitet die Kürze der Legislaturperioden Regierung und
Legislative immer wieder dazu, den notwendigen, aber schmerzhaften
Entscheidungen mit Rücksicht auf vermeintliche Wahlnachteile auszuweichen.
Drohender Legitimationsverlust des politischen Systems
Vielleicht ist die Tatsache, dass die jeweils
herrschende politische Mehrheit seit 1990 die einschlägige Verfassungsjudikatur
ignoriert, unterläuft oder/und konterkariert, bereits der Ausdruck einer
finalen Krise. Ein übriges werden die rapide wachsenden Probleme im
Bereich der sozialen Sicherungssysteme bewirken. Was beispielsweise der
Krankenversicherung bei der absehbaren Erhöhung von 23 auf ca. 36 v. H. des
Altenanteils bevorsteht, ist angesichts der Tatsache, dass heute schon rd. 50
v. H. der Ausgaben für Senioren über 60 benötigt werden und ka um 5 v. H. an
unter 17 jährige gehen, einfach auszurechnen.
Demografische Entwicklung
Seit 1972 liegt die Geburtenrate in Deutschland konstant
unter jener der schlimmsten Kriegsjahre 1917/18 und 1944/45. Bis 2030 wird der
Anteil junger Frauen an der Gesamtbevölkerung gegenüber 1971 um etwa 60 Prozent
gefallen sein. Im weltweiten Vergleich der Geburtenraten lagen wir lange an
letzter Stelle; inzwischen haben uns Italien und Spanien diesen „Rang“
abgelaufen. Während hierzulande auf jede Frau im Lebenslauf nach dem Stand von
1999 durchschnittlich noch rund 1.35 Geburten entfallen, sind es in Italien
1.27, in Spanien 1.20. Dagegen zählt man in Frankreich 1.77, in Großbritannien und
Dänemark 1.70 und in den USA sogar 2.0 Geburten je Frau. Noch bis in die Mitte
der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts lag Deutschland mit 2.5 Kindern je Frau in
Europa auf einem Spitzenplatz (hinter Irland und Frankreich). Um 1965 wurden
pro Jahr noch rund 1.3 Millionen Kinder geboren; im Jahr 2000 waren es –
einschließlich der ausländischen Kinder - nur noch 767 000, obwohl die stark
besetzte Generation des Babybooms noch im Elternalter stand. Erstmals hat das
58-Millionen- Land Frankreich im letzten Jahr mit 779 000 Geburten mehr
Nachwuchs bekommen als Deutschland mit seinen 82 Millionen Einwohnern.
Deutschland ist derzeit das am schnellsten alternde Land der Welt.
Kinder- und Familienarmut
Der Anteil der Familien und der Kinder an den stetig
wachsenden Zahlen der Sozialhilfeempfänger (Hilfe zum Lebensunterhalt) steigt
deutlich überproportional. Seit 1965 hat sich der Anteil der Kinder im
Sozialhilfebezug auf nahezu das 16-fache erhöht. Etwa alle zehn Jahre
verdoppelte sich der Anteil der Kinder in der Sozialhilfe gemessen an ihrer
Altersgruppe. Wuchs beispielsweise 1965 nur etwa jedes 75. Kind unter sieben
Jahren zeitweilig oder auf Dauer in einem Sozialhilfehaushalt auf, war es 1990
schon jedes elfte Kind, 1992 jedes neunte, 1994 jedes siebte. Die jüngsten
Studien zu diesem Thema sprechen davon, dass 1998 sogar jedes siebte Kind
insgesamt von Armut betroffen war. 24 Jeder dritte Sozialhilfeempfänger ist ein
Kind unter 18 Jahren (37,2 v. H.). Von den ca. 2,8 Millionen überschuldeten
Haushalten (= 7 v.H. der bundesdeutschen Haushalte insgesamt/1999) waren ca. 45
Prozent Familienhaushalte, deren Anteil an den Haushalten insgesamt aber nur
noch bei knapp 30 Prozent liegt. Bis zu 500000 Kinder, so manche Schätzung,
sind von Obdachlosigkeit betroffen oder bedroht. Familienarmut expandiert und
unstreitig ist das Kinderhaben, insbesondere in Verbindung mit niedrigen
Einkommen oder der Arbeitslosigkeit von Eltern, in Verbindung mit Trennung und
Scheidung oder der Entscheidung allein zu erziehen, zur kardinalen Armutsursache
geworden. Lag 1998 die Sozialhilfequote bei unter 3-jährigen Kindern, die mit
beiden Eltern aufwuchsen, zum Beispiel in Baden –Württemberg bei 2 vH,
steigerte sich der Anteil auf 62 v.H., wenn sie bei allein erziehenden Eltern
lebten.
Beschädigung des Humanvermögens
Hinsichtlich der Kinder und Jugendlichen aus verarmten
Familien gilt dabei jedoch, dass Lebensverhältnisse wie enger Wohnraum,
schlechte Ernährung, gesellschaftliche Stigmatisierung, Perspektivlosigkeit der
Familien etc. insgesamt die Gefahr einer defizitären, wenn nicht ausgesprochen
neurotisierenden Sozialisation der Heranwachsenden sowie auch gesundheitliche
Beeinträchtigungen erhöhen, die sich nicht selten in Fehlentwicklung und Krankheitsanfälligkeit
äußern. Hier wurden und werden durch zunehmende
Familienarmut die Qualifikationsprobleme der Zukunft vorbereitet, deren Lösung
gesamtwirtschaftliche Ressourcen verbrauchen wird.
Rückgang der Arbeitslosigkeit ungewiss
Es fehlen Schätzungen hinsichtlich der
Beitragsentwicklung in der Arbeitslosenversicherung. Für die herrschende
Auffassung, dass die Arbeitslosigkeit aus Gründen der negativen Entwicklung der
Bevölkerung im Erwerbsalter nach 2010 von selbst verschwinden wird, spricht bei
einer Beibehaltung des gegenwärtigen Systems wenig. Denn es ist zum einen nicht
zu übersehen, dass steigende Sozialversicherungsbeiträge auch den
Rationalisierungsdruck erhöhen. Andererseits ist wegen
der Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung nicht ersichtlich, wo her die
Produktivitätszuwächse kommen sollen, die nicht ohne ausreichenden und
qualifizierten Nachwuchs zu erreichen sind. Nach allem, was aus der
Vergangenheit zu lernen ist, muss deshalb mit einer weiteren Zunahme der
Massenarbeitslosigkeit in den mittleren und unteren Lohnsegmenten sowie dem
Ausweichen in Schattenwirtschaft und neuen Formen der Selbständigkeit gerechnet
werden, womit sich die Problemspirale dynamisch weiter dreht. Im übrigen
entfallen wegen der sinkenden Kinderzahlen viele kinderbezogene Arbeitsplätze.
Verlust an wirtschaftlicher Dynamik
Fast allen Zukunftsprognosen hinsichtlich der sozialen
Sicherungssysteme ist gemeinsam, dass sie ein kontinuierliches
Wirtschaftswachstum zugrunde legen. Nüchtern betrachtet besteht jedoch für diesen
Optimismus wenig Anlass, denn die Wachstumsraten der zurückliegenden Epoche
gingen über viele Jahre mit einem Bevölkerungswachstum und einer Verjüngung der
Bevölkerung einher. Diese Zeiten sind vorbei. Bereits
heute hinterlässt der zunehmende Fachkräftemangel deutliche Bremsspuren in der
Wirtschaft. In Schlüsselwissenschaften fallen Deutschland und Europa
zurück und für die qualifiziertesten Nachwuchskräfte sind nicht Deutschland
oder Europa, sondern vor allem die USA attraktiv. Hier, an dieser entscheidenden
Stelle, ist heute schon ein negativer Wanderungssaldo zu konstatieren, der mit
den zu erwartenden, demografisch bedingten Verlusten an Nettorealeinkommen in
Zukunft weiter wachsen dürfte. Mindestens genauso wahrscheinlich sind deshalb
eine dauerhafte Stagnation und eine weiter hohe Arbeitslosigkeit.
Zuwanderung
Dass wir den absehbaren „brain-drain“, den der Exodus der
besten Nachwuchskräfte mit sich bringt, durch Zuwanderung ausgleichen könnten,
ist nach den Erfahrungen mit der „Green-card“ fraglich. Im übrigen sind die Humanressourcen im gegenwärtigen Kerneuropa erschöpft.
In fast allen EU - Kandidatenländern war die Geburtenrate noch geringer als im
EU -Durchschnitt. Zuwanderung kann in nennenswertem Umfang nur noch aus
außereuropäischen Regionen und damit vor allem aus Schwellenländern erfolgen.
Das verschärft die Integrationsanforderungen und wirft die Gefahr ethnischer
und religiöser Segregation auf. Schon heute zeichnet sich statt der erwarteten
oder erwünschten multikulturellen - eher eine Multiminoritätengesellschaft mit
räumlichen Trennungsmustern ab.
Kapitaldeckung kein Ausweg
Spätestens ab dem Jahr 2015 wird eine dramatische
Verschlechterung im Verhältnis von Entsparern zu Sparern eintreten. Für die
entsparenden Senioren wird es zunehmend schwieriger, ihre Finanztitel zu
verkaufen. Dabei dürfte der Aktienmarkt wegen der Risikoaversion der
Seniorenschaft und der Umschichtung in risikoärmere Anlageformen schon weit vor
diesem Zeitpunkt unter Druck geraten. Ferner kommen zu den Währungsrisiken noch
politische hinzu, dass fremde Länder unter allen Bedingungen, also auch im
Falle schwerer eigener ökonomischer Krisen, rückzahlbereit wären, kann nicht
erwartet werden (Asienkrise). Weitere Probleme der (ergänzenden) Einführung der
Kapitaldeckung ist zum einen die Frage, ob die Bevölkerung angesichts der
stagnierenden oder sogar rückläufigen Einkommensentwicklung den erforderlichen
Konsumverzicht überhaupt leisten will und kann; und zum anderen, ob die
Kapitalmärkte derart gigantische Summen - die Rede ist von bis zu zehn
Billionen Mark –überhaupt aufnehmen können. Oft wissen
die Verfechter der Kapitaldeckung nicht einmal, dass diese scheinbar so sichere
Anlage in den gegenwärtigen Portfolios zu 70 - 80 v. H. aus Anleihen der
öffentlichen Hand besteht. Genaugenommen handelt es sich um “Investitionen” in
Staatsschulden. Statt aus Beiträgen wird die Alterssicherung also
letztlich aus Steuermitteln erfolgen. Da die Steuern, die für die Verzinsung
und Tilgung der Staatsschulden aufzubringen sind, aber genauso wie die
Rentenbeiträge vom Volkseinkommen der jeweils laufenden Periode abgezweigt
werden müssen, sind die volkswirtschaftlichen Konsequenzen von Kapitaldeckung
und Umlageverfahren hier sehr ähnlich.
Verschärfung der Verteilungskonflikte
Die Asymmetrie zwischen Jung und Alt schlägt sich nicht
zuletzt in den Sozialhilfestatistiken nieder: Während Sozialhilfebedürftigkeit
bei jüngeren Kindern und Familien zunimmt, nimmt sie bei den Senioren ab. Gleichzeitig beschränkt das zunehmende Wahlgewicht der
Seniorenschaft die politischen Gestaltungsspielräume. Es spricht für die
Weitsicht des Wirtschaftsnobelpreisträgers von 1974, Friedrich August von
Hayek, dass er diese Entwicklung bereits im Jahr 1960 voraussah und davor
warnte, da die "Mehrheit über 40 bald versuchen werde, die jüngeren
Jahrgänge für sich arbeiten zu lassen." Dem stehen bei Gesamtausgaben der
GKV (1999) von 130 Mrd. EUR (254 Mrd. DM) und einem Anteil der
Gesundheitskosten der 60plus -Generation von ca. 50 v. H. (= 65 Mrd. EUR = 127
Mrd. DM) sowie einem Anteil der Kinderlosen an der Seniorenschaft von ca. 20 v.
H. somit Ausgaben in Höhe von rund 13 Mrd. € (rd. 26 Mrd. DM) an diesen
Personenkreis gegenüber, welche ausnahmslos von den
Kindern anderer Leute erwirtschaftet werden müssen.
Entkoppelung von Einkommen und Bedarf
Bei Singles und Senioren, deren Bedarf geringer oder
sogar weitgehend gedeckt ist, entstehen Einkommensüberhänge, während junge
Familien ihren hohen Bedarf schon bei durchschnittlichen Einkommen nicht mehr
decken können.
Fazit: Destabilisierung des gesellschaftlichen Systems
Bereits diese wenigen Überlegungen lassen erkennen, dass
eine Vielzahl von Belastungsfaktoren aus der demographischen Entwicklung und
der Beschädigung des Humanvermögens kumulieren, welche sich dynamisch und
wechselwirkend verstärken und zur Gefährdung der
Stabilität und des sozialen Friedens des gesellschaftlichen Systems
führen werden. Über drei Jahrzehnte führten die bei der
Humanvermögensbildung ersparten Aufwendungen zu entsprechend überhöhtem Konsum.
Für die fehlenden Investitionen in das Humanvermögen muss nun der Preis
entrichtet werden. Der Raubbau an den biologischen und sozialen Grundlagen der
Gesellschaft lässt die „Kraftquelle Familie“ versiegen. Wegen der groben
Verletzung der „Baugesetze der Gesellschaft“ –Solidarität und Subsidiarität-
durch den falsch konzipierten Sozialstaat rieselt die Gesellschaft wie loser
Sand auseinander. Der extreme Individualismus schließlich untergräbt die
Fundamente des Gemeinwesens.
Die „Transferausbeutung“ der Familie
Der entscheidende Schritt zur Verdrängung der familiären
Altenversorgung und dem Wechsel zum sozialen „Generationenvertrag“ wurde
in Deutschland mit der Rentenreform des Jahres 1957 unternommen. Bis dahin war
die Alterssicherung überwiegend noch auf familiärer Basis erfolgt, die Renten
hatten allenfalls Taschengeldcharakter. Von einem Tag zum anderen wurden die
Renten jedoch auf ein lohnersetzendes und lebensstandardsicherndes Niveau
angehoben. Weil hierfür allerdings die Beitrags - und Steuerlast der Nachwuchsgeneration
enorm gesteigert werden musste, verringerte sich in entsprechendem Maße ihre
Fähigkeit zur Leistung innerfamiliären Unterhalts an die Eltern. Während Kinderlose, deren Renten realwirtschaftlich
ausnahmslos von den Kindern anderer Leute aufzubringen sind, so die großen
Gewinner der Reform waren, wurden vor allem die Mütter durch das neue System um
ihre originären und genuinen Ansprüche auf Altersunterhalt geprellt.
Folgerichtig zeichnete sich ab Ende der 50er Jahre die Altersarmut speziell von
Müttern scharf als neues Phänomen und kardinales Problem der Sozialpolitik ab.
Die Asymmetrie zwischen der Privatisierung der
Kinderlasten und der Sozialisierung des Kindernutzens, die sich über
mehr als fünf Jahrzehnte zunehmend verschärft hatte, war durch dieses System
der „Transferausbeutung der Familien“ gravierend geworden.
Politik contra Sachverstand
Es ist eine Ironie der bundesdeutschen Sozialgeschichte,
dass die der Rentenreform 1957 zugrunde liegenden Konzepte genau das Gegenteil
bewirkt haben. Schon 1958 bezeichnete
der Arzt und Ökonom Ferdinand Oeter das Rentensystem als „Frondienst der Eltern für Kinderlose“. Daher wurde in
dieser Zeit diskutiert, ein Jugendrentensystem mit einem nach Kinderzahl
gestaffelten Beitragssatz zu schaffen. Ausgehend vom wirtschaftlichen
Grundprinzip, dass immer die mittlere Aktiven-Generation die beiden
unproduktiven Generationen der Kinder und Alten versorgen müsse, sei dies
notwendig, um parasitäre Verteilungsverhältnisse zwischen Familien und
Kinderlosen zu verhindern und intergenerationellen Ungleichgewichten der
Lastenverteilungen vorzubeugen. In der Politik fanden diese Vorschläge
jedoch aus mehreren Gründen kein Gehör. Zum einen stand jede Form von
Familienpolitik im Zwielicht nationalsozialistischer Bevölkerungspolitik, zum
anderen war kurz zuvor (1954) nach erbitterten ideologischen
Auseinandersetzungen gerade das „Gesetz zur Einführung von
Familienausgleichskassen“ verabschiedet worden, drittens hielt Bundeskanzler
Konrad Adenauer die Jugendrente für zu teuer, viertens seien Kinder (im
Gegensatz zu den Alten) keine Wähler und fünftens endlich meinte er: „Kinder
bekommen die Leute immer!“ Kürzer fasste sich der Abgeordnete Schmücker: „ Wir
lassen uns auch durch besseren Sachverstand nicht überzeugen!“ Dadurch war ein
System etabliert, in welchem individuellen Rationalverhalten zu kollektivem
Fehlverhalten führt - ein System „mit eingebauter Selbstzerstörung“
Vom Stillstand zum Rückschritt
Die Tatsache, dass das politische System der jungen
Bundesrepublik Deutschland die Familienfrage nicht erkannte oder erkennen
wollte, dürfte noch mindestens drei weitere Gründe gehabt haben: Zum einen
kletterte die Geburtenrate seit Ende der 40er Jahre steil nach oben und
katapultierte Deutschland im europäischen Vergleich auf einen Spitzenplatz
hinter Irland. Zum anderen lag der Anteil lebenslang Kinderloser an der
Gesamtbevölkerung bei nur knapp zehn Prozent. Unter diesen Bedingungen war bei
oberflächlicher Betrachtung allenfalls eine geringe Notwendigkeit für einen
Familienlastenausgleich zu erkennen. Zudem bestand kein Anlass, sich über eine
nachteilige Veränderung der Bevölkerungsstruktur Gedanken zu machen, denn
aufgrund der Geburtenausfälle in und nach dem Ersten Weltkrieg sowie der
Todesfälle im Zweiten Weltkrieg und dem „Babyboom“ der Nachkriegszeit stand
Deutschland vor einer Epoche außerordentlich niedriger Altenlasten.
1983 – 1990: Perplexe Familienpolitik
Ein Beispiel für eine durch die Politik herbeigeführte
drastische Verschlechterung der relativen Einkommensposition von Familien ist
schließlich die Steuerreform 1985/90, welche seinerzeit Familienministerin
Süßmuth als „besonders familienfreundlich“ etikettierte. Tatsächlich waren die
Kinderlosen aber die klaren Gewinner dieser Reform: Bei einem Bruttolohn von
30.678 € (60.000 DM) erfuhr der Single z. B. eine Entlastung von 2.326,93 €
(4.551 DM), die vierköpfige Familie aber nur von 1.327,33 € (2.596 DM).
Folge: Die Einkommenskluft zwischen Familien und Nichtfamilien wuchs
rasant. Vor diesem Hintergrund hätte sich für die ökonomische
Familienwissenschaft eine Auseinandersetzung mit der Frage aufdrängen müssen,
welche Einflüsse die wachsende Marktkonkurrenz
durch den zunehmenden Anteil Alleinstehender und wohlhabender Senioren auf die
Marktposition von Familien habe; es dürfte nämlich einleuchten, dass deren Einkommensüberhänge infolge fehlender
Unterhaltsverpflichtungen das Preisniveau vieler Güter zum Nachteil der
Familien beeinflussen, z. B. auf dem Wohnungsmarkt. Tatsache ist jedenfalls, dass die Situation der Familien umso
schlechter wurde, je geringer die Kinderzahlen ausfielen und je stärker der
Anteil der Kinderlosen.
Familienpolitik aus Karlsruhe ohne durchschlagenden Erfolg
Knapp ein Jahr nach dem „Trümmerfrauenurteil“ findet sich
in der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD
"Entwicklung des Kinderlastenausgleichs und des
Bundeserziehungsgeldgesetzes" vom 17.6.1993 die Feststellung, der
Verfassungsauftrag, die Benachteiligung von Familien gegenüber Kinderlosen
Schritt für Schritt abzubauen, beziehe "sich auf alle Elemente der
Familienförderung gleichermaßen" und habe "Bedeutung nicht nur für
den Bund, sondern für alle staatlichen Ebenen“. In ihrer Stellungnahme zum
Fünften Familienbericht, der erneut die strukturelle
Rücksichtslosigkeit des gesellschaftlichen Systems für die Familien und ihre
desolate Lage dokumentiert hatte erklärte die Regierungskoalition am
15.6.1994 mit Rücksicht auf die Verfassungsrechtsprechung zudem auch unumwunden
den “Abbau der wirtschaftlichen Benachteiligung von Eltern im Vergleich zu
Kinderlosen” zu ihrem vorrangigen Politikziel.
Deklassierungsursachen:
Sozialabgaben: Wenn starke
Leistungssteigerungen zugunsten von Familien im Transfersystem ohne Erfolg
blieben, ja der Anstieg der Sozialhilfebedürftigkeit im Kindesalter in den 90er
Jahren sogar besonders steil verlief, müssen gleichzeitig konterkarierende
Entwicklungen mit einem Negativsaldo eingetreten sein, welche nur auf der
Einnahmeseite der Systeme stattgefunden haben können. Dass diese Hypothese
richtig ist, ist angesichts der enormen Abgabensteigerung in den 90er -Jahren
vor allem bei den Sozialversicherungsbeiträgen und den Verbrauchssteuern leicht
zu erkennen. Hinzu kommen noch die Abgaben, Gebühren und Beiträge sowie
Kostensteigerungen im Bereich der Daseinsvorsorge, welche die heutige
Deklassierung der Familie erklären.
Steuern: Für Beiträge, Einkommens -/Lohnsteuern
und Verbrauchssteuern gilt, dass sie die niedrigen Einkommen überproportional
belasten, da sie relativ um so einschneidender werden, je höher die
Anteile des Verbrauchs an der Einkommensverwendung sind.
Indirekte Steuern: Indirekte Steuern treffen
Familien wegen des zwangsläufig höheren Verbrauchs viel härter als Haushalte
ohne Kinder. Hier ist in den letzten Jahrzehnten ebenfalls ein stetiger
Anstieg zu verzeichnen. So ist allein die Mehrwertsteuer seit 1982 bis zum 1.
April 1998 in drei Schritten von 13 v. H. auf 16 v.H. angehoben worden; der
ermäßigte Tarif stieg in diesen Zeiträumen auf 7 v. H.. Als Fazit ergibt sich
somit, dass die relative Einkommenslage der Familien schlechter ist denn je.
Einkommensteuer
Mit steigendem Einkommen sinkt die Steuerlast relativ
stärker. Dies beruht vor allem darauf, dass sich mit steigender Einkommenshöhe
immer weitere Spielräume zur völlig legalen Vermeidung direkter Steuern öffnen.
Infolge der steuerlichen Privilegierung von Kapitalbildung sowie der
unvollkommenen Erfassung von Kapitalerträgen und dem Zinseszinseffekt klafft
die Einkommensschere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Tatsächlich
wurden in den letzten Jahrzehnten die Abgaben im Steuersystem nicht nur stetig
erhöht, sondern diese Entwicklung ging in besonderer Weise auf Kosten von
Familien vonstatten, weil der Gesetzgeber sowohl das Gebot der
Belastungsgleichheit wie das Gebot, bei der Steuergestaltung zwangsläufige
Unterhaltsverpflichtungen realitätsgerecht zu berücksichtigen, fortlaufend
missachtet hat. Das Ergebnis ist eine exponentiell zunehmende Belastung von
Familien. Dies – und nichts anderes - ist der harte Ursachenkern der
dramatischen Familienverarmung hierzulande. Eine familiengerechte Belastung
wäre nur dann erreicht, wenn Abgabenerhöhungen die frei verfügbaren
Familienbudgets nicht härter belasten als die von Haushalten ohne Kinder. Davon
sind wir im Bereich der indirekten Steuern und der Sozialversicherungsabgaben
jedoch weit entfernt, weil dort das Existenzminimum derzeit überhaupt noch
nicht berücksichtigt wird. Alle derzeit diskutierten
Einkommensteuermodelle stellen im Vergleich die Steuerersparnis eines Singlehaushaltes
dem einer 4-köpfigen Familie bei gleichem Einkommen gegenüber, ohne die
Aufteilung dieses einen Einkommens auf 4 Personen(Haushaltsvorstand 1.0,
Ehegatte 0.8,Kinder je 0.65) überhaupt zu erwähnen. Jegliche
familienpolitische Korrektur fehlt. Familien sind nicht nur arm, sondern werden
darüber hinaus noch deklassiert.
Solidarwidrige Verteilungsmechanismen der Rentenversicherung
Das Rentensystem leistet in keiner Weise das, was es
leisten muss - nämlich gesellschaftliche Kohäsion zu schaffen. Die
Verteilungswirkung des Systems wird durch eine Konzentration von weiblichen
Rentenempfängern bei den Niedrigrenten und von männlichen bei den höheren
Rentenbeträgen und ein großes Loch in der Mitte der Empfängerkreise
charakterisiert. Diese Spreizung wurde in den letzten Jahren stetig größer. Die
Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) in ihrer gegenwärtigen Ausprägung spaltet
nach allem die Gesellschaft: Alt und Jung, Männer und Frauen, Singles und
Familien, Besserverdienende und Minderbemittelte. Die sog. „Riester-Rente“
verschärft die Polarisierung dabei nicht unerheblich, da Familien kaum zur
Aufbringung der Mittel in der Lage sind. Nicht zu vergessen ist
schließlich der Umstand, dass die Bewertung der Kindererziehungszeiten von der
–aus demografischen Gründen erfolgenden!- Absenkung des Rentenniveaus voll
erfasst wird. Das bedeutet im Klartext, dass Eltern
hier also für das generative Verhalten Kinderloser mitverantwortlich gemacht
werden. Umgekehrt werden diejenigen, welche ihre Arbeit und den Lohn nicht
teilen, noch mit besonders überproportionalen Rentenansprüchen belohnt.
Fazit:
Eine grundlegende Rentenstruktur-Reform ist überfällig.
Sie hat anzusetzen bei einer Neudefinition des erfassten Personenkreises
(gesamte Wohnbevölkerung), bei den pflichtigen Einkommen (sämtliche
personengebundenen Einkommen), bei der Lastengerechtigkeit (ohne
Beitragsbemessungsgrenzen, keine intransparente Mischfinanzierung), bei der
Leistungsgerechtigkeit (insbesondere der Behandlung der Kindererziehung) und
bei der Durchsetzung des Solidargedankens auch bei der Anspruchsbegrenzung
(Maximalrente). Das Modell der Schweizer AHV bietet in wesentlichen Teilen eine
brauchbare Vorlage
Familienpolitische Strukturreform des Sozialstaats
Dem Ziel einer partnerschaftlichen Aufteilung der
Erziehungsarbeit steht in der Praxis bekanntlich der Umstand entgegen, dass es
ausgerechnet die Familienväter sind, die wegen der drückenden Finanznöte zur
Ableistung von Überstunden gezwungen sind; hieran würde ein Teilzeitverdienst,
der gegebenenfalls selbst mit weiteren Aufwendungen oder Leistungskürzungen
(erhöhte Kindergartenbeiträge, Zuzahlungspflichten in der GKV, Verlust der
Erziehungs - und Wohngeldberechtigung, des Baukindergeldes, ferner zweites Kfz
und dergl.) verbunden wäre, unter den gegebenen Bedingungen nur wenig ändern.
Zum anderen haben längere Teilzeitperioden, wie oben dargestellt, höchst
negative Konsequenzen für die spätere Alterssicherung. Drittens fehlt es – nach
hier vertretener Ansicht gerade wegen der Abgabenstruktur! - an der Grundvoraussetzung
eines funktionierenden Arbeitsmarkts. Empirisch belegt zudem die Situationen in
den neuen Bundesländern sowie die schwedische Entwicklung der letzten Jahre,
dass selbst beste elternrechtliche und infrastrukturelle Voraussetzungen für
die Vereinbarkeit von Kinderwunsch und Erwerb keine durchschlagende Wirkung (
mehr) zeigen. Die Vereinbarkeit von Erwerb und
Kindererziehung ist kein Ersatz für eine verfassungskonforme, familiengerechte
Sozial- und Abgabenordnung. Aus diesen Gründen ordnet der Wiesbadener Entwurf
die Maßnahmen zur Herstellung und Verbesserung der „Vereinbarkeit“ in der
Reformhierarchie nachrangig ein.
Grundzüge der Reform
Ohne weiteres beheben lässt sich der fundamentale Defekt
unserer Sozialordnung, den die Verlängerung der individualistischen Engführung
des Arbeitsverhältnisses in den Bereich sozialer Sicherung beinhaltet. Hier ist
ein einheitliches soziales Sicherungssystem für die gesamte Bevölkerung auf der
Grundlage sämtlicher personengebundener Einkommen zu schaffen. Diesem Konzept
einer „Volksversicherung" folgen ohnehin die meisten europäischen Systeme,
wobei die Akzente entweder mehr steuerfinanziert (z. B. Niederlande,
Skandinavien) oder mehr beitragsfinanziert (z. B. Schweiz) gesetzt werden. Die
bestehenden Sonderversorgungssysteme ( Selbständige, Beamte) sind als
Zusatzsysteme auszugestalten. Besonderes Gewicht kommt dabei einer
familiengerechten und solidarischen Gestaltung des Beitragssystems der
Sozialversicherung zu, dessen Indifferenz gegenüber
familiären Unterhaltsverpflichtungen sich als die wirkmächtigste Ursache der
Deklassierung herausstellte. Es wird dafür plädiert, die Beiträge zur
Sozialversicherung nach dem Muster des „Solidaritätszuschlags“ an der
Einkommensteuer auszurichten. Der rechtsstaatliche Skandal der Behandlung der
Kindererziehung in den Alterssicherungssystemen lässt sich - entsprechend der
neueren Rechtsprechung des BVerfG - nur dadurch verfassungskonform beseitigen, dass Kindererziehung tatsächlich als eigenständige
Beitragsleistung auch zu einer eigenständigen, originären Altersversorgung
führt. Hinsichtlich der Korrektur der Überlasten im Steuersystem wird
hier für die Einkommensteuer alternativ die Einführung eines Familiensplittings
oder Familienrealsplittings und für die Verbrauchssteuern deren Erstattung
durch einen Rücktransfer in Form von Kindergeld vorgeschlagen. Im Bereich der
Familienförderung sind die Voraussetzungen für die Wahlfreiheit bzw. die
Vereinbarkeit von Kindererziehung und Erwerb vor allem durch eine
Lohnersatzleistung bei zeitweisem oder teilweisem Erwerbsverzicht zugunsten der
persönlichen Kinderbetreuung sowie durch Abbau der Defizite im Bereich der
Kinderbetreuungsangebote und Ganztagsschulen zu schaffen. Grundregel dabei muss
sein, die Erwerbsbedingungen den Bedürfnissen der Familien anzupassen und nicht
umgekehrt. Empfohlen wird die Förderung von Modellen der intergenerationellen
Kinder- und Altenarbeit nach dem Vorbild des Mütterzentrums Salzgitter. Ferner
wird zu überlegen sein, ob nicht die sog. „Frauenquoten“
in „Elternquoten“ umzuwandeln sind. Der prekären Situation der Familien,
vor allem der Frauen, bei Scheidung oder Wiedereintritt in den Erwerbsberuf,
ist durch Einbeziehung der Kindererziehungszeiten in die
Arbeitslosenversicherung zu begegnen. Schließlich wird dafür plädiert, die
Pflegeversicherung durch ein steuerfinanziertes Leistungsgesetz mit einer
Bedürftigkeitskontrolle nach dem Muster der Sozialhilfe zu ersetzen sowie die „Riester-Rente“ entweder durch ein
familienverträgliches Modell zu verbessern oder sie abzuschaffen.
Erhoben wird schließlich die Forderung nach einem
Familienwahlrecht sowie einer Familienverträglichkeitsprüfung im Rahmen der
Gesetzgebung; empfehlenswert scheint überdies die Schaffung eines
Ministeriums für Familien und Ökologie. Die bestehenden
Sonderversorgungssysteme (Beamte, Selbständige) sind als Zusatzsysteme
auszugestalten. Gleichzeitig sind die übrigen umlagefinanzierten
Sozialversicherungssysteme, die intergenerationell Zwecken der Alterssicherung
dienen, darauf hin zu überprüfen, ob sie nicht
ebenfalls für Kinderlose zu systemspezifischen Vorteilen führen, die zugunsten
der Eltern auszugleichen wären. Dafür wurde dem Gesetzgeber eine Frist bis zum
31.12.2004 gesetzt. Dass einer umfassenden Reform jedenfalls keine
verfassungsrechtlichen Hindernisse entgegenstehen dürften, hat die
Verfassungsjudikatur der letzten Jahre in mehreren Entscheidungen signalisiert:
So wurde die Ungleichbehandlung freiwillig und gesetzlich versicherter Rentner
mit Beschluss v. 15.3.2000 –1 BvL 16/96 e.a. beanstandet und dem Gesetzgeber
freigestellt, die erweiterte Bemessungsgrundlage auch für die gesetzlich
versicherten Rentner anzuwenden. Im Pflegeurteil v. 3.4.2001 wurde sodann eine
Volksversicherung für zulässig gehalten und im „Rentenbesteuerungsurteil“ vom
6.3.2002 der Versuch aufgegeben, durchgreifende normative oder faktische
Unterschiede zwischen der GRV und der Beamtenversorgung als Rechtfertigung
ihrer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung zu finden; bei beiden Gruppen
sei die dominierende Übereinstimmung vielmehr, dass sie „nichtselbständige
Tätigkeiten“ ausübten. Damit dürften die Zeiten, in
denen sich fehlender sozialpolitischer Reformernst hinter
verfassungsrechtlichen Beamtenprivilegien verstecken konnte, vorbei sein.
Beendigung der Transferausbeutung in den
Altersversorgungssytemen
1. Duales System aus Eltern- und Geldbeitragsrenten
Weil Kindererziehung für alle Systeme der
Alterssicherung monetären Beiträgen (mindestens) gleichwertig ist, müssen auch
die Rentenansprüche aus Kindererziehung den monetär erworbenen Ansprüchen
gleichwertig sein. Da die gesamte Altersversorgung der vorangegangenen
Generation immer und ausschließlich von der Nachwuchsgeneration erbracht wird,
lässt sich die Gleichwertigkeit der beiden Teilleistungen am besten durch einen
hälftiges Splitten der Beiträgen auf ein Elternrentenkonto einerseits und ein
Geldbeitragsrentenkonto anderseits zum Ausdruck bringen. Für Kinderlose hat
dieses "Duale Modell " eine (leistungsgerechte) Halbierung ihrer
Rentenansprüche zur Folge; die bei der Kindererziehung ersparten Aufwendungen
geben in der Regel aber mehr als genug Spielraum, um diese Lücke durch
Eigenvorsorge zu füllen. Ein Seiteneffekt hiervon wäre dann, dass die Konsumkraft Kinderloser investiv abgezogen würde und ihre
Einkommensüberhänge Familien auf den Gütermärkten, namentlich dem
Wohnungsmarkt, nicht mehr so wie derzeit in Bedrängnis bringen könnten.
Diskussion gängiger Einwände
Dagegen wird vor allem eingewendet, diese Vorstellung sei " letztlich
archaisch, weil sie auf Fertilitätsmotiven aus früheren Phasen der
Menschheitsgeschichte fuße". Dabei wird allerdings übersehen, dass Renten
in Deutschland nur auf Grund der "Enteignung“ der genuin erworbenen
Unterhaltsansprüche der Eltern gegenüber ihren Kindern und deren Überleitung
auf die Sozialsysteme gezahlt werden können und dies einen Verstoß gegen die
Grundrechte der Eltern beinhaltet. Ferner wird der Gleichbewertung der
Kindererziehung in den Alterssicherungssystemen entgegen gehalten, sie
überbewerte den generativen Faktor. Die Vergangenheit beweise nämlich, dass in
den zurückliegenden Jahrzehnten die Arbeitsproduktivität und damit das
Realkapital sich als viel entscheidender als der demografische Faktor erwiesen
hätten. So sei das reale Bruttosozialprodukt um ein Vielfaches mehr gestiegen
als die Zahl der Erwerbspersonen. Dem ist schon die einfache Tatsache
entgegenzuhalten, dass auch der Produktivitätsfortschritt seine humanen Akteure
braucht, die ihn schaffen. Im übrigen dürfte die –u.a. vom VDR vertretene
Auffassung- einem gängigen Trugschluss erliegen, der aus einer systematischen
Überschätzung der Fließgröße „Einkommen“ und einer ebenso systematischen
Unterschätzung der Bestandsgröße „Vermögen“ und einer
vollkommen fehlenden Wahrnehmung der Bedeutung des Humanvermögens beruht.
Es liegt nämlich zudem auf der Hand, dass der von der herrschenden Meinung wie
vor beschriebene Zusammenhang gerade auf dem Raubbau am Humanvermögen in den
letzten Jahrzehnten beruht. Je weniger Kinder
aufzuziehen waren, in desto größerem Umfang konnten Ersparnis und Erwerbsarbeit
zunehmen. Würde man die Verluste am Humanvermögen jedoch ähnlich
betriebswirtschaftlich abschreiben wie dies bei Kapitalgütern geschieht, würde
die Selbsttäuschung der herrschenden Sichtweise offenbar und zugleich deutlich,
dass unsere Volkswirtschaft durch den jahrzehntelangen Abbau des Humankapitals
„künstlich aufgeblasen“ wurde. Die hierdurch induzierte Expansion der
Erwerbswirtschaft suggerierte einen Zuwachs der Wirtschaftsleistung und der
Wohlfahrt, der in krassem Widerspruch zur Entwicklung des Volksvermögens steht,
dessen wesentliche Determinante das Humanvermögen ist. Der dritte häufig zu
vernehmende Einwand lautet, dass nach diesen Vorstellungen durch eine relativ
kurze Zeit der Kindererziehung ein Rentenanspruch entstehe, welcher einer
45jährigen Erwerbszeit entspreche. Dieser Einwand wendet sich bei genauerer
Betrachtung freilich gegen sich selbst: eine 45jährige Erwerbszeit wird nämlich
nur in Höhe des Rentenbeitrags, also derzeit zu rund 20 v. H., dem Erwerb eines
Versorgungsanspruchs gewidmet, mithin dienen nur neun von 45 Jahren diesem
Zweck, wodurch sich also umgekehrt genau die Gleichwertigkeit der
Kindererziehung bestätigt.
Gegenwärtige Rechtslage fortdauernder Verfassungsverstoß
Nicht einmal ansatzweise eine Lösung beinhalten jedenfalls die
"Babyjahr"-Regelungen nach gegenwärtiger Rechtslage, weil sie zu
einem In-sich-Transfer zwischen den belasteten Kindern und begünstigten
Müttern, nicht jedoch zum intragenerationellen Ausgleich zwischen Kinderlosen und
Eltern auf derselben Jahrgangsstufe führen. Das intragenerationelle Unrecht
wird nur intergenerationell verschoben. Dass die „Babyjahre“ im gegenwärtigen
Rentenrecht von der demographisch bedingten Abwertung miterfasst werden, obwohl
Eltern dafür gerade nicht verantwortlich sind, lässt sich verfassungsrechtlich
jedenfalls nicht rechtfertigen. Zwar hat das BVerfG im "
Trümmerfrauenurteil " vom 7. Juli 1992 den Weg der Anrechnung von
Kindererziehungszeiten für grundsätzlich gangbar gehalten, dies aber damals
bereits unter Vorbehalt gestellt („erst in ferner Zukunft wirksam"). Die
Frage der „Beitragsäquivalenz der Kindererziehung“, der das BVerfG seinerzeit
noch ausgewichen war („Kindererziehung nicht gleichartig "), hat es im
Beschluss von 12. März 1996 sowie im Pflegeurteil vom 3. April 2001 immer
deutlicher bejaht und dabei nicht zuletzt den Aspekt
des Konsumverzichts betont. In der Tat stellte sich ja die Frage, weshalb der
Konsumverzicht für die Kindererziehung, also die Investitionen in das
Humanvermögen, ausgerechnet für die Altersvorsorge (und damit in Richtung
Zukunft) geringer bewertet wird als der Konsumverzicht für die Rentenleistungen
der gegenwärtig Alten (und damit in Richtung Vergangenheit). Weil die
Kindererziehung somit per se Beitrag ist, erweist sich auch die Zahlung von
Bundesbeiträgen für Kindererziehung als verfassungswidrig. Zudem beinhalten
Zahlungen des Bundes zur Abdeckung der Erziehungszeitenanrechnungen einen
Verstoß gegen die Notwendigkeit eines Freiheits- /Verantwortungsbezuges und
damit gegen Freiheitsrechte, weil damit die Allgemeinheit anstelle der
materiell verantwortlichen Kinderlosen belastet wird.
2.
Familiensplitting
Familien - und nicht nur Ehegatten- stellen
selbstverständlich auch Wirtschaftsgemeinschaften dar. Gerade das Eherecht ist
sowohl hinsichtlich des Güterstandsrechts als auch des Unterhaltsrechts weit
von einem partnerschaftlichen Modell entfernt, so dass dieses Argument
ebenfalls nicht nur nicht verfängt, sondern im Gegenteil den Kollektivgedanken
unter Einschluss der Kinder stützt. Was schließlich die Spreizungswirkung
anbetrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die oberen Einkommensschichten in
aller Regel virtuos von der Möglichkeit Gebrauch machen, ihre
Unterhaltspflichten gegenüber ihren Kindern durch die Übertragung von
Einkommensquellen zu erfüllen; dabei können dann u. U. zahlreiche weitere
Subventionstatbestände mit steuermindernder Wirkung in Anspruch genommen
werden. Ein Familien(real)splitting würde damit sozusagen zur
"Demokratisierung" dieser Gestaltungsmöglichkeiten führen; die
größten Vorteile entstünden vermutlich für Familien ab der mittleren
Einkommensschicht - genau dort, wo sich derzeit die rational-planende
Lebenseinstellung besonders krass in Kinderarmut niederschlägt.
3. Elternquote statt Frauenquote
Schließlich stellt sich quer zum herrschenden Konzept des
gender mainstreaming die Frage, ob die sog. „Frauenquoten“ nicht möglicherweise
in "Elternquoten“ umzugestalten sind, vor allem um des Ziels der
partnerschaftlichen Kindererziehung willen. Will man konkrete statt abstrakte
Nachteile ausgleichen, dann ist es nicht zu verkennen, dass die spezifischen
Nachteile, die mit dem (zeit- oder teilweisen) Ausscheiden verbunden sind, auch
die partnerschaftlichen handelnden Väter/Männer treffen. Außerdem spricht das
Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 10.11.98 ausdrücklich von „beiden
Elternteilen“.
4. Familienwahlrecht
„Das Kinder -, Minderjährigen- oder Familienwahlrecht,
heißt ein gängiger Vorwurf, sei doch nur eine Notlösung, die obendrein auch noch
hart am Rande der Verfassung gesucht und manchmal auch gefunden werden“,
schreibt der Publizist Konrad Adam in seinem Geleitwort zur Schrift „Haben wir
schon ein allgemeines Wahlrecht?“ des Vereins Allgemeines Wahlrecht e.V.
München (VAW) vom Juli 2001 und fährt fort: „Wenn Kinder Zukunft sind, die
Zukunft aber beim Schielen auf die Mehrheitsverhältnisse im Land nicht mehr zu
ihrem Recht gelangt, dann muss am Stimmrecht etwas geändert werden: keineswegs
also nur zum Wohle von Kindern und Eltern, sondern im Interesse und zum
langfristigen Nutzen der Gemeinschaft.“
Irrweg: Familiengeld und Erziehungsgehalt
Seit einiger Zeit werden in der familienpolitischen
Diskussion Konzepte einer Honorierung der Erziehungsleistung erörtert. Mit der
Kindererziehung vollbrächten Eltern nicht hoch genug zu veranschlagende
Investitionsleistungen in das Humanvermögen der Gesellschaft und es sei nicht
einzusehen, dass KindergärtnerInnen und GrundschullehrerInnen gut bezahlt
würden, nur die eigenen Eltern nicht. Zudem beruft man sich auf den
„Familienbeschluß“ des Bundesverfassungsgerichts vom 10.11.1998, demzufolge der
Staat die Aufgabe habe, „die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern
gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu
fördern“. Darüber hinaus wird ein Erziehungsentgelt unter Ausnutzung des sog.
„Schuldenparadoxons“ explizit zur Erschließung der ökonomischen Ressourcen der
Volkswirtschaft, welche in der Massenarbeitsloigkeit liegen, vorgeschlagen. Das Problem der Familien ist nämlich nicht, dass sie zuwenig
beschenkt würden, sondern dass sie verfassungswidrig belastet und so regelrecht
ausgebeutet werden. Das Familiengeld kaschiert diesen Skandal und
bewirkt deshalb erst recht Intransparenz. Zur Familienförderung ist der
Gesetzgeber im übrigen zwar verfassungsrechtlich verpflichtet, aber hat dort
eben auch alle Spielräume staatlichen Gewährens. Anders sieht es bei der
Abwehrfunktion der Grundrechte aus: Übermaßeingriffe sind schon wegen des Art.
3 Abs. 1 GG verboten, erst recht bei Familien (Art. 6 Abs. 1 GG). Hier fängt
Familienpolitik deshalb an. Das ist übrigens nicht nur eine Frage der
Grundrechtsfunktionen, sondern genauso eine der Transferhygiene: Dass man Empfängern zuschiebt, was man ihnen vorher entwendet
hat, ist keine seriöse (Familien-) Politik, sondern ein Taschenspielertrick,
dem die Familien hierzulande über Jahrzehnte mit dem bekannt katastrophalen
Ergebnis zum Opfer gefallen sind. Erfolgsversprechende, ernsthafte
Familienpolitik kann deshalb nur damit anfangen, diese Realitäten laut
auszusprechen. Nur so, gestützt nämlich auf die fest verwurzelten
Gerechtigkeitsüberzeugungen, die das Einkommenssteuerrecht widerspiegelt und
nicht mit der Spendierhosenoptik, lässt sich auch mit dem kinderlosen Teil der
Bevölkerung über eine faire Behandlung der Familien streiten. Gerechtigkeit
statt Geschenke! Es muss darum gehen, die Familien in die Lage zu versetzen,
ihre Kinder aus dem selbst erwirtschafteten Einkommen zu unterhalten, statt
dies aus einer Position eines Almosenempfängers heraus zu tun. Hier stellt sich
deshalb in der Tat auch die Frage nach dem Menschenbild welches maßgebliche
Politiker leitet. Damit eng zusammen hängt der zweite Einwand: Das Familiengeld wird nicht weniger, sondern mehr Menschen in
der Sozialhilfe zurücklassen, weil es besonders für unqualifizierte und sehr
junge Frauen eine geradezu magische Anziehungskraft haben wird. Früher oder
später werden sie, mit den vermutlich mehreren Kindern, ohne Ausbildung umso
weiter im Abseits stehen. Selbst wenn das Ergebnis ein steiler Anstieg der
Geburtenrate sein sollte, wird das Humanvermögen mehr beschädigt als vermehrt. Dass
die Idee eines Erziehungsgehalts im übrigen ein beträchtliches
Zerstörungspotential für den Teil der Welt hat, den Familie definiert, beweist
das von manchen Befürwortern angeführte Honorierungsargument, dass es nämlich -
ungerecht oder nicht - nachzuvollziehen sei, dass Grundschullehrerinnen und
Kindergärtnerinnen für ihre Arbeit entlohnt würden, nur die eigenen Eltern
nicht. Dabei wird nämlich das Wesentliche der Familie vollkommen aus den Augen
verloren: Ihre wechselseitige Einstandspflicht in allen Lebenslagen.
Lehrerinnen und Kinderpflegerinnen erwerben gegen die Kinder keine
unmittelbaren genuine und originäre Unterhaltsansprüche. Genau darin, in dieser vollkommen unmarktlichen
Bedingungslosigkeit, liegen aber Ursprung und Ziel von Familie. Wenn dieser
Bereich kommerzialisiert wird, die Abstraktion des Geldwesens auch in diese
letzte Gegenwelt eindringt, dann wird das Leben für die Kinder nicht nur schon
von Kindesbeinen an wegen eines grenzenlosen Individualismus unerträglich,
sondern dann scheitern Familie und Staat gemeinsam. Soweit die Modelle
mit der Notwendigkeit der Honorierung/„Entlohnung“ der Kindererziehung als
Investition in das Humanvermögen begründet werden, vermag das nicht zu
überzeugen. Selbstverständlich erbringt, wer Kinder erzieht, eine gewaltige
ökonomische Leistung, denn er investiert in das Humanvermögen. Ökonomisch lässt
sich aus dieser Tatsache aber gerade kein Anspruch auf ein Erziehungsgehalt
ableiten. Denn ökonomisch ist Investieren immer Sparen und das bedeutet
„Zukunftspräferenz“: Für zukünftige Erträge heute Konsumverzicht leisten. Das
ist auch sinnvoll. Denn wer nicht bereit ist, sich für Kinder einzuschränken,
sollte besser keine haben.
Diskussion der bevölkerungspolitischen Wirkung einer
familienpolitischen Strukturreform
Im Unterschied zur DDR, wo man Anfang der 70er Jahre
mit beachtlichem Erfolg eine explizit pronatalistische Sozialpolitik
eingeleitet hatte, wird die Frage aktiver Bevölkerungspolitik in der
Bundesrepublik erst seit relativ kurzer Zeit wieder öffentlich erörtert. Wer in
dieser Diskussion die gängigen Argumente der Verharmlosung schrumpfenden
Kinderzahlen zu Ende denkt, erkennt deren Absurdität. Schwieriger ist
allerdings die Tatsache zu erkennen, dass Kinderlosigkeit in Deutschland auch
ökologisch verheerend wirkt, weil sie – in Energiemaßstäben gemessen-
paradoxerweise wie ein massiver Beitrag zur Überbevölkerung wirkt. Die infolge
der Kinderersparnis entstehenden Einkommensüberhänge wandern nämlich nahezu
zwangsläufig in den ökologisch besonders schädlichen Luxuskonsum: Fernreisen,
exotische Ernährungsgewohnheiten, übermäßiger Wohnraumverbrauch mit hohen
Energiekosten etc
Eigentum und Äquivalenz
Erst wenn soziale Probleme die Eigeninteressen des
politischen wie administrativen Systems berühren, besteht die
Wahrscheinlichkeit einer politischen Behandlung. An diesem Punkt sind wir
inzwischen aber angekommen. Weil die Lösung der
Familienfrage eine grundlegend neue Verteilungsordnung erfordert, sind die über
Jahrzehnte zu Besitzständen geronnenen Fehlverteilungen das unmittelbarste
Hindernis. Sie haben auf dem entscheidenden Feld der Sozialversicherung
mit der Terminologie der „versicherungsmäßigen Äquivalenz“ und der Kategorie
des „Renteneigentums“ zugleich ihre spezifische rechtliche und ideologische
Begrifflichkeit, welche eine rationale Debatte blockieren. Hier muss deshalb
der Anfang gemacht und offengelegt werden, dass im gegenwärtigen Sozialversicherungssystem
weder das Äquivalenzprinzip noch das Renteneigentum die realen Sachverhalte
korrekt beschreiben. Für das Konstrukt des Eigentums an Rentenanwartschaften,
welches die Verfassungsrechtsprechung in den 80er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts entwickelte, ist dies verhältnismäßig leicht zu erkennen. Eigentum
wird nämlich durch Vererbbarkeit charakterisiert, Rentenanwartschaften sind
aber der Nachwuchsgeneration nicht vererbbar, sondern richten sich- genau
umgekehrt!- gegen die Kindergeneration. Sie sind nichts anderes als der früher
familiär erbrachte, seit 1957 jedoch sozialisierte Altersunterhalt.
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